Nachhaltige Geldanlagen: Welche Kriterien zählen?

14. November 2019

Sie kaufen Kaffee und Bananen aus fairem Handel, achten beim Fleisch auf ein Tierwohl-Label und beim Gemüse auf das Bio-Siegel der EU – aber wie sieht es mit Ihrer Geldanlage aus? Verdienen Sie Kapitalerträge möglicherweise mit Kohlestrom, Atomkraft, Massentierhaltung, Spekulation mit Nahrungsmitteln oder sogar Waffenhandel? Bei vielen Anlageprodukten bleibt die Verwendung des Geldes leider intransparent. Sogenannte ESG-Kriterien erlauben ein wenig mehr Durchblick, an einem einheitlichen Standard fehlt es aber.

Umwelt, Soziales und Unternehmensführung mit unterschiedlicher Auslegung

 

ESG steht für Environment, Social and Governance, die englischen Begriffe für Umwelt, Sozialstandards und eine daran ausgerichtete Unternehmensführung. Nun wird aber längst nicht überall dasselbe unter diesen Kriterien verstanden. In Deutschland würde eine Investition in einen Energieerzeuger, der Kernkraftwerke betreibt, niemals als ESG-konform bewertet, weil man bei uns der Kernkraft sehr kritisch gegenübersteht und auch politisch ein Ausstieg angestrebt wird. Unsere Nachbarn in Frankreich verweisen dagegen auf die Vermeidung von CO2 aus fossilen Energieträgern, wenn der Strom aus Atomkraftwerken kommt. ESG ist also kein Siegel wie etwa Fair Trade, das mit konkreten Anforderungen hinterlegt ist, erklären die Geldanlage-Experten des Vergleichsportals 9Brands. Es gibt zwar eine ganze Reihe von Zertifizierungen, zum Beispiel FNG (Fachverband nachhaltiger Geldanlagen), ECOreporter, GCX (Global Challenges Index), DJSI (Dow Jones Sustainability Index) und Climetrics, aber sie haben kaum einen kleinsten gemeinsamer Nenner. Beim FNG müssen beispielsweise nur 90 % der Anlage die Mindeststandards erfüllen, bei ECOreporter werden Produktion von und Handel mit Waffen bis zu 5 % toleriert. Vollstreckung der Todesstrafe ist dagegen ein harter Ausschluss – damit sind China und Indien beispielsweise außen vor, und natürlich auch die USA, wenn man hier nicht nach Bundesstaaten differenziert.

 

Nachhaltige Anlage in der Praxis

 

Was bedeutet diese verwirrende Vielfalt nun für den Anleger? Zunächst sollte nachhaltiges Investment kein Selbstzweck sein. Es geht schließlich um Rendite und Risiko. Eine Investition in erneuerbare Energien wird sich vermutlich auch finanziell lohnen, wenn wir die Energiewende einleiten. Gleiches gilt für Gesundheitsvorsorge oder Wasserversorgung, wobei im letztgenannten Fall sicher nicht alle Anlagen ESG-Kriterien entsprechen dürften. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit mehr auf Environment und Social, weniger auf Governance. Mit etwas Recherche werden Sie die Aspekte Umwelt und Soziales durchschauen, bei der Unternehmensführung ist das weit schwieriger. Vielleicht finden Sie einen Fondsmanager, der sich aktiv für eine Verbesserung bei ESG-relevantem Verhalten der Unternehmen einsetzt und bloßes „Greenwashing“ (Unternehmen geben sich nachhaltig, sind es in Wahrheit aber nicht) entlarvt. Auch das hat durchaus einen wirtschaftlichen Hintergrund in der Risikobewertung: Wer weiß, zu welchen Schadensersatzforderungen die Tabakindustrie künftig noch verurteilt wird – oder auch ein Nahrungsmittelhersteller, der sich vielleicht in Zukunft an den Kosten der Beseitigung von Plastikverpackungen in den Meeren beteiligen muss.